Zum Nachdenken
Verfasst: Sa 13. Mai 2017, 12:54
Es war schon eine Weile her, seit Andre den alten Mann zuletzt getroffen hatte. Das Studium, Frauen, die Karriere –
Andre war aus seinem Heimatort weggezogen und lebte heute am anderen Ende der Republik.
Andre hatte wenig Zeit, um über Vergangenes nachzusinnen, manchmal fehlte ihm sogar die Zeit für seine Frau und seinen eigenen Sohn.
Er arbeitete an seiner Zukunft und nichts konnte ihn davon abbringen.
Eines Tages erhielt er einen Anruf seiner Mutter. Sie erzählte ihm, dass Herr Müller am Abend zuvor gestorben war,
und dass die Beisetzung am darauf folgenden Mittwoch stattfinden sollte.
Erinnerungen tauchten auf und Andre saß still da, und erinnerte sich an seine Kindheit.
“Hast du gehört, was ich dir gesagt habe?” fragte seine Mutter. “Aber ja, sicher”, antwortete Andre, “ich habe lange nicht mehr an ihn gedacht – um ehrlich zu sein: ich dachte, er sei schon seit einigen Jahren tot.”
“Nun, aber er hat dich nicht vergessen. Immer, wenn ich ihn sah, fragte er nach dir. Er schwärmte von den vielen Stunden, die du damals bei ihm drüben verbracht hast, ‘auf seiner Seite des Zauns’, wie er es nannte”, fuhr seine Mutter fort.
“Das alte Haus, in dem er lebte, war einfach genial”, sagte Andre.
“Weißt du, als dein Vater starb, kam Herr Müller vorbei und meinte, es sei sehr wichtig, dass es auch einen männlichen Einfluss in deinem Leben geben sollte,” sagte Andre`s Mutter.
“Ja, er hat mir viel beigebracht. Ohne ihn hätte ich meinen heutigen Beruf nie erlernt. Er hat sehr viel Zeit damit zugebracht, mir alles zu vermitteln, was er für wichtig hielt. Ich werde zur Beerdigung kommen.”
Obwohl er sehr unter Termindruck stand, hielt Andre sein Versprechen. Er nahm den nächsten Flug in seine Heimatstadt. Die Beisetzung des Herrn Müller war sehr schlicht. Er hatte keine eigenen Kinder und die meisten seiner Verwandten waren längst verstorben.
Am Abend vor seinem Rückflug besuchte Andre mit seiner Mutter noch einmal das alte Haus, in dem Herr Müller all die Jahre gelebt hatte. Er blieb auf der Türschwelle stehen. Es war wie eine Zeitreise, als öffnete sich eine andere Dimension. Das Haus war genau so, wie Andre es in Erinnerung hatte. Jeder Schritt, den er darin machte,
weckte längst vergessene Erinnerungen.
Jedes Bild, jedes Möbelstück erzählte Geschichten. Andre hielt abrupt inne. “Was ist los?” fragte seine Mutter.
“Die kleine Schatulle ist weg!” antwortete Andre. “Welche Schatulle?” “Es gab eine kleine goldene Schatulle,
die er immer verschlossen hielt – sie stand immer hier auf dem Schreibtisch. Ich habe ihn bestimmt tausend Mal gefragt, was drin ist. Aber er sagte nur immer: das, was mir am wertvollsten ist.” Die Schatulle war fort.
Alles andere im Haus war genau so, wie Andre es in Erinnerung hatte. Alles bis auf die Schatulle. Andre vermutete, dass ein Familienangehöriger diese Schatulle mitgenommen haben musste.
Traurig sagte er: “Nun werde ich niemals erfahren, was für ihn am wertvollsten war.”
Andre war müde, also kehrte er mit seiner Mutter zurück nach Hause und flog am nächsten Tag zurück in seine Wahlheimat. Etwa zwei Wochen nach Herrn Müller`s Tod fand Andre einen Benachrichtigungsschein in seinem Briefkasten. Der Postbote hatte ihn nicht angetroffen und das Päckchen wieder mitgenommen. Als Andre ganz früh am nächsten Morgen zum Postamt fuhr, überreichte ihm der Schalterbeamte ein Päckchen, das so aussah, als sei es hundert Jahre unterwegs gewesen.
Die Handschrift des Absenders war kaum zu entziffern, doch schließlich erkannte Andre die Absenderanschrift: Harald Müller. Andre setzte sich ins Auto und atmete tief durch, bevor er das Päckchen öffnete. Zum Vorschein kamen die goldene Schatulle und ein Briefkuvert.
Andre Hände zitterten, als er die Notiz las: “Bitte übergeben Sie nach meinem Tod diese Schatulle mit Inhalt an Andre Samsel. Sie enthält das, was mir in meinem Leben am wichtigsten war.” Ein kleiner goldener Schlüssel klebte auf dem Brief.
Andre standen die Tränen in den Augen und sein Herz raste, als er den Schlüssel nahm, und die Schatulle öffnete.
Sie enthielt eine wunderschöne goldene Taschenuhr. Andres`s Finger glitten über das wunderbar gearbeitete Gehäuse. Der Uhrdeckel sprang auf. Darin standen die eingravierten Worte: “Andre vielen Dank für deine Zeit! – Ernst Müller”
Meine Zeit war es, die ihm am wertvollsten war! Andre hielt die Uhr eine ganze Weile in der Hand, bevor er zum Handy griff und im Büro anrief. Er sagte alle Termine für die kommenden beiden Tage ab. “Aber warum denn das?” fragte seine Sekretärin irritiert.
“Ich möchte ein wenig Zeit mit meinem Sohn verbringen”, antwortete Andre. “Ach, und übrigens: vielen Dank für Ihre Zeit.”
Es ist nicht die Anzahl an Jahren, die den Wert unseres Lebens ausmachen, sondern die Qualität und Intensität, mit der wir es leben… (Autor unbekannt)
Andre war aus seinem Heimatort weggezogen und lebte heute am anderen Ende der Republik.
Andre hatte wenig Zeit, um über Vergangenes nachzusinnen, manchmal fehlte ihm sogar die Zeit für seine Frau und seinen eigenen Sohn.
Er arbeitete an seiner Zukunft und nichts konnte ihn davon abbringen.
Eines Tages erhielt er einen Anruf seiner Mutter. Sie erzählte ihm, dass Herr Müller am Abend zuvor gestorben war,
und dass die Beisetzung am darauf folgenden Mittwoch stattfinden sollte.
Erinnerungen tauchten auf und Andre saß still da, und erinnerte sich an seine Kindheit.
“Hast du gehört, was ich dir gesagt habe?” fragte seine Mutter. “Aber ja, sicher”, antwortete Andre, “ich habe lange nicht mehr an ihn gedacht – um ehrlich zu sein: ich dachte, er sei schon seit einigen Jahren tot.”
“Nun, aber er hat dich nicht vergessen. Immer, wenn ich ihn sah, fragte er nach dir. Er schwärmte von den vielen Stunden, die du damals bei ihm drüben verbracht hast, ‘auf seiner Seite des Zauns’, wie er es nannte”, fuhr seine Mutter fort.
“Das alte Haus, in dem er lebte, war einfach genial”, sagte Andre.
“Weißt du, als dein Vater starb, kam Herr Müller vorbei und meinte, es sei sehr wichtig, dass es auch einen männlichen Einfluss in deinem Leben geben sollte,” sagte Andre`s Mutter.
“Ja, er hat mir viel beigebracht. Ohne ihn hätte ich meinen heutigen Beruf nie erlernt. Er hat sehr viel Zeit damit zugebracht, mir alles zu vermitteln, was er für wichtig hielt. Ich werde zur Beerdigung kommen.”
Obwohl er sehr unter Termindruck stand, hielt Andre sein Versprechen. Er nahm den nächsten Flug in seine Heimatstadt. Die Beisetzung des Herrn Müller war sehr schlicht. Er hatte keine eigenen Kinder und die meisten seiner Verwandten waren längst verstorben.
Am Abend vor seinem Rückflug besuchte Andre mit seiner Mutter noch einmal das alte Haus, in dem Herr Müller all die Jahre gelebt hatte. Er blieb auf der Türschwelle stehen. Es war wie eine Zeitreise, als öffnete sich eine andere Dimension. Das Haus war genau so, wie Andre es in Erinnerung hatte. Jeder Schritt, den er darin machte,
weckte längst vergessene Erinnerungen.
Jedes Bild, jedes Möbelstück erzählte Geschichten. Andre hielt abrupt inne. “Was ist los?” fragte seine Mutter.
“Die kleine Schatulle ist weg!” antwortete Andre. “Welche Schatulle?” “Es gab eine kleine goldene Schatulle,
die er immer verschlossen hielt – sie stand immer hier auf dem Schreibtisch. Ich habe ihn bestimmt tausend Mal gefragt, was drin ist. Aber er sagte nur immer: das, was mir am wertvollsten ist.” Die Schatulle war fort.
Alles andere im Haus war genau so, wie Andre es in Erinnerung hatte. Alles bis auf die Schatulle. Andre vermutete, dass ein Familienangehöriger diese Schatulle mitgenommen haben musste.
Traurig sagte er: “Nun werde ich niemals erfahren, was für ihn am wertvollsten war.”
Andre war müde, also kehrte er mit seiner Mutter zurück nach Hause und flog am nächsten Tag zurück in seine Wahlheimat. Etwa zwei Wochen nach Herrn Müller`s Tod fand Andre einen Benachrichtigungsschein in seinem Briefkasten. Der Postbote hatte ihn nicht angetroffen und das Päckchen wieder mitgenommen. Als Andre ganz früh am nächsten Morgen zum Postamt fuhr, überreichte ihm der Schalterbeamte ein Päckchen, das so aussah, als sei es hundert Jahre unterwegs gewesen.
Die Handschrift des Absenders war kaum zu entziffern, doch schließlich erkannte Andre die Absenderanschrift: Harald Müller. Andre setzte sich ins Auto und atmete tief durch, bevor er das Päckchen öffnete. Zum Vorschein kamen die goldene Schatulle und ein Briefkuvert.
Andre Hände zitterten, als er die Notiz las: “Bitte übergeben Sie nach meinem Tod diese Schatulle mit Inhalt an Andre Samsel. Sie enthält das, was mir in meinem Leben am wichtigsten war.” Ein kleiner goldener Schlüssel klebte auf dem Brief.
Andre standen die Tränen in den Augen und sein Herz raste, als er den Schlüssel nahm, und die Schatulle öffnete.
Sie enthielt eine wunderschöne goldene Taschenuhr. Andres`s Finger glitten über das wunderbar gearbeitete Gehäuse. Der Uhrdeckel sprang auf. Darin standen die eingravierten Worte: “Andre vielen Dank für deine Zeit! – Ernst Müller”
Meine Zeit war es, die ihm am wertvollsten war! Andre hielt die Uhr eine ganze Weile in der Hand, bevor er zum Handy griff und im Büro anrief. Er sagte alle Termine für die kommenden beiden Tage ab. “Aber warum denn das?” fragte seine Sekretärin irritiert.
“Ich möchte ein wenig Zeit mit meinem Sohn verbringen”, antwortete Andre. “Ach, und übrigens: vielen Dank für Ihre Zeit.”
Es ist nicht die Anzahl an Jahren, die den Wert unseres Lebens ausmachen, sondern die Qualität und Intensität, mit der wir es leben… (Autor unbekannt)