Das Problem liegt aber nicht nur in Libyen und in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge, also in Nigeria, Ghana, Mali, der Elfenbeinküste, Benin, Togo und Burkina Faso. Das Problem liegt zu einem ganz wesentlichen Teil in einem Staat dazwischen: im bettelarmen Niger. Genauer: in Agadez.
Durch die Stadt in der Sahelzone führt eine der wichtigsten Flüchtlingsrouten aus Westafrika ans Mittelmeer – und viele Tuareg verdienen hervorragend am Menschenschmuggel. Zwar setzt die Regierung auf Druck der EU inzwischen Polizisten an den Reiserouten ein und kontrolliert die Wasserstellen. Aber das Vertrauen der lokalen Bevölkerung, das für eine langfristige Stabilisierung der Region notwendig wäre, gewinnt sie so nicht – im Gegenteil. Einer meiner Bekannten in Agadez schildert die Situation so:
"Seit vier Jahren reden unsere Regierung und die Leute von der EU und der Uno ständig darüber, dass sie uns helfen wollen, aber das glatte Gegenteil geschieht. Sie fahren in teuren Geländewagen durch die Stadt, verunglimpfen die Tuareg als Kriminelle, aber tun nichts für sie. Damit haben sie ihre Glaubwürdigkeit komplett eingebüßt. Wovon soll man hier denn sonst leben, wenn nicht vom Menschenschmuggel? Die Leute haben nichts anderes. Wenn Europa dauerhaft verhindern will, dass Westafrikaner übers Mittelmeer kommen, müsste es als erstes den Menschen in Agadez helfen, sie wertschätzen, ihnen eine Perspektive geben und die Region systematisch entwickeln. Solange das nicht passiert, werden die Menschen hier weiter vom Menschenschmuggel leben. Und noch viele Flüchtlinge ans Mittelmeer kommen."
Das ist sicher nur eine Stimme unter vielen und sie gibt wohl nur einen Ausschnitt der Situation wieder. Trotzdem hat sie mir zu denken gegeben.
Ein Zitat von Florian Harms
Agadez,Niger auf der Google maps Karte