Spuck-Attacken und übelste Beleidigungen: Ein Busfahrer berichtet
- Michael
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Spuck-Attacken und übelste Beleidigungen: Ein Busfahrer berichtet
Kreis Recklinghausen. Respektlosigkeit und Gewalt– auch das Fahrpersonal der Vestischenkann ein Lied davon singen. Bei einem Vorfall in Bottrop geht es sogar um Leib und Leben.
Von Michael Wallkötter
Falko Schwieder lenkt seit 35 Jahren Linienbusse durch den Kreis Recklinghausen. Im Fahrpersonal der Vestischen gilt er als „alter Hase“. Und er erinnert sich noch gut an die Zeiten, als es selbstverständlich war, dass Fahrgäste ihn mit einem freundlichen „Guten Tag“ begrüßten. Heute, sagt der 63-Jährige, herrscht in den Bussen vielfach Respektlosigkeit. Und manchmal auch (verbale) Gewalt.
Das Phänomen beschäftigt zurzeit weite Teile der Gesellschaft: Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter werden nicht nur in Silvesternächten Zielscheibe von vorsätzlichen Attacken, sind täglich Respektlosigkeit und Übergriffen ausgesetzt. Und wenn es diese Berufsgruppen schon trifft... „Bei uns Busfahrern dürfte die Hemmschwelle noch geringer sein“, meint Falko Schwieder.
17 Fälle von Gewalt hat die Vestische für das abgelaufene Jahr statistisch erfasst. Angesichts von zig Millionen Fahrgästen relativiert sich diese Zahl. Allerdings sind es auch nur Vorfälle, die vom Personal gemeldet worden sind. Nicht jeder Fahrer, der zum Beispiel verbal angegangen wird, mache daraus einen offiziellen Vorgang, sagt Jan Große-Geldermann, Sprecher der Vestischen. Die „Schmerzgrenze“ sei da bei den einzelnen Mitarbeitern schon sehr unterschiedlich.
Stein durchschlägt Scheiben im Bus
Es gibt Busfahrer bei der Vestischen, die in der Vergangenheit regelrecht verprügelt worden sind. In Bottrop ging neulich ein Fahrgast mit einem Schlagstock auf die Fahrerkabine los. Die Sicherheitsscheibe hielt glücklicherweise stand. Lebensgefahr bestand am 4. Januar dieses Jahres, als ein Unbekannter abends einen Stein mit einer solchen Wucht gegen einen Linienbus der Vestischen schleuderte, dass er in Sitzhöhe die Scheiben auf beiden Seiten durchschlug und faustgroße Löcher hinterließ. Fahrgäste waren zum Glück nicht im Wagen. „Aber die Fahrerkabine wurde nur um zwei bis drei Meter verfehlt“, berichtet der Sprecher der Vestischen.
Busfahrer Falko Schwieder hat körperliche Gewalt selbst nicht erleben müssen. Aber Spuck-Attacken und übelste Beleidigungen - ab „Hurensohn“ aufwärts - musste er auch bereits über sich ergehen lassen, wie der Marler berichtet. Froh ist er darüber, dass wegen Corona alle Linienbusse der Vestischen mit sogenannten Spuckscheiben ausgestattet worden sind. Die schützen nicht nur vor Viren, sondern auch vor Angriffen. „Da hat die Pandemie tatsächlich etwas Gutes bewirkt“, sagt Schwieder.
Heranwachsende machen den meisten Stress
Warum kommt es überhaupt zu brenzligen Auseinandersetzungen im Bus? Eskalieren kann die Situation schon, wenn der Fahrer einen unwilligen Fahrgast nach seinem Ticket fragt oder ihn auf die Maskenpflicht hinweist. Einschreiten muss der Mitarbeiter der Vestischen auch, wenn sich andere Fahrgäste belästigt fühlen - etwa durch Pöbeleien oder laute Musik. Verspätungen, verpasste Anschlüsse, die Höhe der Fahrpreise - all das könne ein Auslöser dafür sein, dass Fahrgäste ausrasten. Den meisten Stress gebe es mit Jugendlichen und Heranwachsenden, so im Alter zwischen 14 und 20, lautet die Erfahrung von Falko Schwieder. „Aber meistens auch nur dann, wenn sie in Gruppen auftreten.“
Der 63-jährige Busfahrer versucht, in solchen Situationen ruhig und höflich zu bleiben. Wie man deeskalierend wirkt, lernt das Fahrpersonal auch in speziellen Schulungen. Dass Busfahrerinnen weniger aggressiv angegangen werden als ihre männlichen Kollegen, ist eine weitere Erkenntnis, die die Vestische gewonnen hat. Vom 761 Köpfe zählenden Fahrpersonal des Unternehmens sind mittlerweile 89 weiblich - Tendenz steigend.
Falko Schwieder ist gerne Busfahrer. Viele Arbeitstage verlaufen ja auch völlig normal, sagt er. Die meisten Fahrgäste verhielten sich unauffällig, manche sogar sehr nett, Randalierer seien in der Minderheit. Und wenn tatsächlich Ungemach droht, haben Schwieder und seine Kollegen mehrere Optionen. Sie können ein Sicherheitsteam („Präventionsteam“) anfordern, von denen die Vestische zwei im Kreis RE patrouillieren lässt. Sie können über die Leitstelle die Polizei zur Hilfe rufen. Und für den Fall, dass es ganz übel kommt, gibt es im Bus die Überfalltaste. Dann geht der Notruf unmittelbar an die Polizei. Und die Leitstelle der Vestischen kann über Kameras im Bus direkt verfolgen, was sich im Fahrzeug abspielt.
In fünf Monaten geht Falko Schwieder in den Ruhestand. Er freut sich auf den gemeinsamen Urlaub mit Ehefrau, zwei Kindern und drei Enkelkindern. Bis dahin hofft er noch auf viele Einsätze auf Linien, die wenig Stress bereiten. „In ländlichen Bereichen zum Beispiel fährt ein ganz anderes Publikum mit“, berichtet er. „Da bekommt man als Fahrer auch schon mal eine Süßigkeit zugesteckt.“
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